Von Tartus nach Damaskus

Am nächsten Morgen packen wir die Sachen und machen uns auf, ohne die gewünschte Abkühlung im Mittelmeer. Wir fahren durch die Talsenke zwischen Syrien und dem Libanongebirge und biegen dann Richtung Norden ab, in das Alawitengebirge. Die Fahrt durch die (relativ) kühlen Berge macht noch mal Spaß. Hier liegt, schwer zu finden im Hinterland, auf knapp 700m Höhe eine der besterhaltenen Kreuzritterburgen weltweit. Die „Crac de Chevalliers“.

Diese Festung ist wirklich sehenswert. Auch die Aussicht auf den Libanon und die angrenzenden Täler Syriens. Außer uns hat es nur noch ein paar Holländer hierher verschlagen, die mit einem, zum Wohnmobil ausgebauten, steinalten deutschen Feuerwehr-Lkw unterwegs sind. Sehr cool.

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Es ist sehr windig und mein Magen macht wieder seltsame Geräusche. Wir verlassen die Berge und fahren zurück Richtung Homs. Hitze ! Unterwegs halten wir in einem kleinen Ort vor dem einzigen Dorfladen an, um unsere Wasservorräte aufzufüllen. Der syrische Ladenbesitzer, ein gut gekleideter älterer Herr, stellt uns sofort Stühle vor die Tür und ist sehr um uns bemüht. Er bietet uns alle möglichen und unmöglichen Dinge an und kümmert sich liebevoll um uns. Zahlreiche Schaulustige eilen herbei um die fremden Besucher zu begutachten. Wir wollen eigentlich nur mal 10 Minuten Pause machen. Es gibt kalte Pepsi - super ! Der Ladenbesitzer schnüffelt auf einmal an uns rum. Dann eilt er in seinen Laden und holt eine große Flasche Parfum. Jeder von uns wird erst einmal (ungefragt) gründlich eingesprüht. Was werden wir „gemüffelt“ haben, wenn es selbst die Syrer nicht mehr aushalten.
Ab Homs fahren wir Richtung Damaskus. Nach und nach ist sämtliche Vegetation verschwunden und die Landschaft in eine Steinwüste übergegangen. Diese Strecke hat es in sich. Es geht zwar immer nur geradeaus, aber die drückende Hitze lähmt einen. Alle Bewegungen finden nur noch wie in Zeitlupe statt. Weit und breit keine Ortschaft oder Tankstelle zu sehen, wo man sich in den Schatten zurückziehen könnte. In der Umgebung wächst nichts mehr.
Es ist sehr windig, aber der Wind ist heiß und raubt einem fast den Atem. Ich habe, mit der Transalp, die größten Probleme mit diesem starken Seitenwind. Während die Kollegen sicher noch gut 20-30 km/h schneller fahren könnten, muss ich immer aufpassen dass ich nicht auf die Gegenfahrbahn geweht werde. Den starken Seitenwind kann die Honda nicht gut vertragen, hier war ich der „Bremser“. Ich weiß nicht genau woran es gelegen hat, an ungünstiger Gewichtsverteilung, den Reifen, oder nur daran, dass die Transalp die größte seitliche Angriffsfläche hatte. Jedenfalls machte mir dieser Wind, der uns bis in die Negev-Wüste begleitet hat, große Probleme. Da fährt man geradeaus mit Schräglage und Senkrecht durch die Kurven. Wenn der Westwind von vorne oder hinten kam hatte ich keine Probleme, aber das war ja eher selten. 
Auf halber Strecke nach Damaskus hat der heiße Wind hat noch einmal zugenommen. Wir halten an einer verlassenen Baracke am Straßenrand. Diesen Ort definiere ich später als einen der unwirklichsten Orte, wo ich jemals gewesen bin. Der Sturm hat schon die meisten Dachbleche des Gebäudes fortgeweht, aber wir finden noch einen kleinen Platz wo es Schatten gibt. „Wenn das ab jetzt so weiter geht, dann werde ich das konditionell nur schwer durchstehen.“ - Denke ich mir.
Aber auch Rugard und Werner haben Probleme. „O.k., wir befinden uns Ende Juni, zur Mittagszeit, in einer syrischen Wüste, da kann es natürlich schon mal warm werden.“

Wir machen eine kurze Pause und ziehen uns in den Schatten der verlassenen Baracke zurück. Nach 20 Minuten, ein paar konzentrierten Mineralien und einem Liter Wasser für jeden geht es uns wieder etwas besser. Aber die Bewegungen sind immer noch verlangsamt. Ich sitze auf dem Bock, bin schon zum Straßenrand gefahren, und warte auf die Kollegen. Das Stehen in dieser immensen Hitze schlaucht besonders. Wenn man einmal am Fahren ist geht es eigentlich. Weil immer noch keiner kommt, drehe ich mich um und sehe beide, Werner und Rugard unter ihren Karren im Schotter liegen. Ich fahre wieder zurück und wir bringen erst mal alles wieder in Ordnung.

Das ist wohl heute nicht unser Tag.

Wie schon beschrieben, ist der Straßenverkehr in Syrien etwas speziell. Daran hatten wir uns nach kurzer Zeit aber gewöhnt. Die Syrer fahren zwar nach ihren eigenen, nicht wirklich zu durchschauenden Regeln, aber durchaus auch rücksichtsvoll. An Motorradfahrer sind sie allerdings nicht gewöhnt, die gibt es hier nur sehr, sehr selten.
In der Gegend von Damaskus verschärft sich die Verkehrssituation aber noch einmal besonders. Damaskus ist ein Nadelöhr. Aufgrund der Nähe zur libanesischen/israelischen Grenze gibt es nur eine Hauptverkehrsachse in Nord-Süd Richtung wo alles - und ich meine ALLES - durch muss. Das war ursprünglich wohl mal eine 6-spurige Autostraße, aus der kurzerhand jetzt ca.10 Spuren gemacht wurden. Die Fahrbahnmarkierungen hat es wohl mal gegeben, man sieht aber nicht mehr viel davon. Dementsprechend geht es kreuz und quer durcheinander, jeder fährt wo er will, bzw. wo gerade Platz ist. Die Syrer fahren so: Hohes Tempo, extrem wenig Abstand zum Vordermann - bloß keine Lücke lassen, es könnte sich ja jemand dazwischen drängeln. Die Straße ist knallvoll, und es ist heiß, extrem heiß. Nicht blinken, sonder hupen ist die Devise. Kein Problem, aber wo sich unsereins erst mal dran gewöhnen muss sind andere Kuriositäten: Ständig überqueren Fußgänger die Fahrbahn. Das sind meist Erntearbeiter die dann teilweise noch Säcke oder Früchte schleppen. Zum Verständnis: Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt dort schon bei etwa 80 km/h. Es ist extrem voll. Auf der Standspur kommen einem öfter auch schon mal Autos entgegen. Das liegt daran dass es dort nur sehr wenige Autobahnkreuze gibt wie wir sie kennen. Man muss sehr oft die Autobahn überqueren, wenn man in die andere Richtung fahren will, und das ist bei diesem Verkehr gar nicht möglich. Deshalb fährt der Syrer halt auf der „imaginären“ Standspur in die entgegengesetzte Richtung, wenn er beispielsweise „nur“ mal in den nächsten Ort will.
Auf der Standspur gibt es aber auch häufig Obst- und Gemüsestände, wo die Feldarbeiter und deren Kinder ihre Sachen verkaufen. Das Geschäft scheint zu laufen, denn oft halten dort z.B. Tanksattelzüge an, und die Fahrer kaufen dort erst mal in aller Ruhe ein. Wenn jetzt gleichzeitig so ein „Standspurgeisterfahrer“ entgegen kommt, muss er natürlich um den ganzen Tross drum herum, auf die rechte, vielleicht sogar linke Spur ausweichen. Ihr könnt es euch selbst ausmalen was passiert.
Manchmal ist die Straße, völlig ohne Vorankündigung, etwa 30cm tief ausgefräst. Wie bei uns, mit diesen ekligen, krummen Längsrillen, nur tiefer, auch die Rillen. Da knallst du runter und wedelst plötzlich herum wie bescheuert. Wenn es dann, am Ende der Ausfräsung, wieder unangekündigt auf das normale Straßenniveau  hochgeht, dann geht die Gabel fast auf Block und es gibt einen Schlag das man denkt: „Jetzt ist alles im Arsch“. - Ist es aber nicht.
Unglaublich was die Mopeds alles so ausgehalten haben.
Zweimal wurde eine Schafherde auf der Autobahn getrieben. Einmal in Fahrtrichtung. Ein anderes Mal haben wir auch eine „Geister-Schafherde“ erlebt, die uns entgegen getrieben wurde. Hier und da fehlt auch schon mal ein Kanaldeckel.
Ich kam mir vor, wie mitten in einem Computerspiel, das automatisch immer auf den nächsthöheren Level springt, schneller und schneller  wird, aber es gibt keine „Pause“ Taste.
Es hat nicht so lange gedauert, vielleicht 1,5 Stunden, aber dieser Streckenabschnitt hat uns doch gewaltig geschlaucht. Als wir es endlich hinter uns haben, machen wir erst mal 30 Minuten Pause an einer Tankstelle. Gleichzeitig stelle ich fest, dass wir unsere 5000km-Marke überschritten haben. Also ein kleiner Grund zum Feiern.

Ohne zu übertreiben, wir fahren ja alle schon seit etwas längerer Zeit Motorrad. Aber selbst Rugard, der beste Fahrer von uns sagte: “Da könntest du mir jetzt ein paar hundert Euro bieten, da würde ich trotzdem nicht noch einmal freiwillig durchfahren.“
Es kann sein dass wir eine sehr ungünstige Zeit gewählt haben, und eine extreme „Rush-Our“ erlebt haben, vielleicht ist das in Damaskus auch immer so - ich weiß es nicht. Jedenfalls war das schon eher Level2.

Werner hatte einen guten Vorschlag: „Für diesen Streckenabschnitt müsste es eigentlich eine Art Trophäe geben, z.B. einen Patch (Aufnäher), nach dem Motto: „Damaskus mit dem Bike, JA ICH HABE ES ÜBERLEBT“.

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